An einem Tag im Februar 2007, 12 Wochen zu früh, erblickte Paul das Licht eines OP-Saales. Zarte 34cm klein und nur 980g leicht. Trotz meiner Vollnarkose zeigte er dem Kinderarzt direkt seinen Unwillen und bäumte sich in seinen Händen wütend auf. Auch auf der Kinderintensivstation machte er sich schnell einen Namen als kleiner Dickkopf. Zum Glück entwickelte er sich ohne größere Komplikationen so gut, dass er im Mai das Krankenhaus verlassen konnte.
Eine Aussage einer Kinderkrankenschwester auf der „Päppelstation“ verfolgt mich allerdings bis heute: „Das werden halt keine Kuschelkinder“. Schon damals fand er Körperkontakt nicht beruhigend, der war nur beim Füttern zu ertragen.
Als frischgebackene Erstlingsmutter dachte ich einfach nur, es wäre eine Folge der Krankenhausatmosphäre um ihn herum. Das würde sich bestimmt ändern, wenn wir erstmal zu Hause wären. Wie sehr ich mich doch irrte…
Zu Hause angekommen, entpuppte sich Paul als ziemlich pflegeleichtes Baby. Er schlief viel und musste zum Essen geweckt werden. Wenn er wach war, lag er zufrieden auf seiner Krabbeldecke und schaute im Zimmer umher. Er weinte nicht, wenn ich sein Blickfeld verliess. Erst nach einigen Wochen änderte sich sein Verhalten. Jeden Nachmittag begann er zu schreien, ich dachte an Koliken und trug ihn stundenlang im Fliegergriff durch die Wohnung. Er schrie weiter, eintönig, stundenlang. Nichts konnte ihn beruhigen. Außer Papa. Wenn der von der Spätschicht nach Hause kam, nahm er mir das brüllende Wesen ab und legte es ins Bettchen. Binnen weniger Minuten schlief Paul friedlich als wäre nichts gewesen. Spazieren gehen war eine Qual für alle Beteiligten. Nach wenigen Metern im Kinderwagen fing Paul an zu brüllen, untröstlich, monoton. Bis wir wieder zu Hause waren und er auf seiner Decke lag. Noch schlimmer wurde es bei Besuch. Die meisten stolzen Großeltern knuddeln und küssen ihre Enkel, sprechen und singen mit ihnen. Auch Pauls Großeltern natürlich. Aber Paul lachte nicht, er freute sich nicht, wenn er geherzt und verwöhnt und besungen und bespielt wurde, nein, Paul brüllte. Er machte sich steif auf dem Arm, drückte seinen Körper durch, stemmte sich ab und schrie. Er beruhigte sich erst, als er wieder in seinem Bettchen im Kinderzimmer lag, alleine. Auch ich durfte mich nicht in seiner Nähe aufhalten. Das brachte mir so manchen Vorwurf…äh…gutgemeinten Rat seitens der Großeltern ein. „Du musst doch mit dem Kind sprechen!“ „Du darfst ihn doch nicht alleine in seinem Bett liegen lassen“ „Du musst ihn fördern“ usw.
Heute -rückblickend- haben wir Eltern instinktiv richtig gehandelt. Und mit dem Wissen von heute erkennen wir ganz klar die autistischen Anzeichen in Pauls Verhalten. Damals allerdings hatten wir keine Ahnung, was mit unserem Kind los war. Und es sollte noch ein langer Weg bis zur Erkenntnis werden.
Es ist nicht leicht zu erkennen, dass sein kind autistisch ist und keinen Körperkontakt annehemn mag, aber es wir dennoch sehr viele intensive und schöne Momente geben, die ihr erleben werdet, wobei mich auch interessieren würde, ob sich da etwas verändert hat und/oder wie ihr damit umgeht… LG Sabrina
Hallo Sabrina,
vielen Dank für deine Worte. Es hat sich in den letzten Jahren sehr viel verändert und ich werde darüber hier berichten.