In dieser Woche wies das Oberlandesgericht in München die Berufung eines Elternpaares zurück. Sie hatten ihre Frauenärzte auf Schadenersatz und mindestens 10000 Euro Schmerzensgeld verklagt, weil sie wie geplant ein Kind bekommen haben. Das klingt absurd, richtig? Jetzt war das Kind aber nicht so, wie die Eltern sich das gewünscht haben. Das Kind hat nämlich Trisomie 21, das Down-Syndrom. Das wurde während der Schwangerschaft nicht erkannt. Die Eltern sagen auch ganz freimütig, dass sie abgetrieben hätten, wenn sie gewusst hätten, dass ihr Kind behindert sein würde.
Ich las gestern diesen Artikel und war zuallererst fassungslos. Und dann wurde ich wütend. In meinem Kopf setzte sich ein Gedankenkarussell in Gang. Es brauchte eine Weile bis mir klar wurde, was genau mich daran so wütend macht. Es ist dieses Anspruchsdenken, dass man ein Anrecht auf ein nicht-behindertes Kind hätte. Von Emily Perl Kingsley gibt es einen Text, der das Leben mit einem behinderten Kind beschreiben soll. Dieser Text wird viel und oft geteilt. Ich mochte ihn nie. Wer sich selbst ein Urteil bilden möchte, hier ein Link:
Dort wird das Leben mit einem behinderten Kind damit verglichen, dass man eine Reise nach Italien geplant hätte, auf die man sich schon sein ganzes Leben freut und dann plötzlich in Holland landen würde, ohne Möglichkeit zu entkommen oder weiterzureisen. Ich wusste bisher nicht genau, warum ich diesen Vergleich einfach daneben finde, jetzt schon. Holland wird zwar so beschrieben, dass man es irgendwann dort vielleicht doch halbwegs annehmbar findet, aber es wird nie so schön sein wie Italien. Und ich frage mich: Hat denn niemand mal erwähnt, dass es bei einer Schwangerschaft keine Garantie gibt? Können erwachsene Menschen wirklich so naiv sein, dies nicht zu wissen? In einer Schwangerschaft kann verdammt viel schief gehen. Angefangen von Fehlgeburten über Infektionen mit z.B. Röteln oder Windpocken, die zu Behinderungen beim Ungeborenen führen können, Gendefekte wie Trisomien bis hin zu Frühgeburten und (was tatsächlich die größte Gruppe bei den von Geburt an behinderten Kindern darstellt) Dingen, die während der Geburt passieren wie beispielsweise Sauerstoffmangel. Wann genau haben die Menschen das Wissen darüber verdrängt oder vergessen? Seit wann gibt es diese Anspruchshaltung „Ich habe ein Recht auf ein gesundes (nicht-behindertes) Kind“. Es ist ja leider wahr, dass heutzutage in über 90% der Fälle Kinder mit Trisomien abgetrieben werden. Weil sie das Pech haben, in den meisten Fällen frühzeitig erkannt zu werden. Oder auch Kinder mit Spina Bifida oder Organfehlbildungen. Es ist halt nicht das „Wunschprodukt“ Kind. Und -was ich noch viel schlimmer finde- inzwischen ist es so weit gekommen, dass sich Eltern behinderter Kinder vor Wildfremden rechtfertigen müssen, warum sie denn nicht abgetrieben hätten. Ist mir selbst schon passiert. Diese Leute sind dann völlig entgeistert, dass man nicht alle Arten von Behinderungen schon im Mutterleib erkennen kann. Und dass sogar die meisten Behinderungen im Laufe eines Lebens erst erworben werden, muss ein größeres Geheimnis für die meisten sein als die Area 51. Dazu kommen dann Texte wie „Willkommen in Holland“, die großflächig verteilt werden und schön das Bild weiter festzementieren: „Dein Kind ist behindert? Dein Leben ist quasi vorbei.“ Doch so ist es nicht. Um bei dem Holland-Italien-Vergleich zu bleiben: Nein, ich bin nicht in Holland gelandet, obwohl ich nach Italien wollte. Mir war klar, dass die Angabe im Reisebüro „Irgendwo in Europa“ (= Ich möchte ein Kind) nicht garantiert, dass ich in Italien landen werde. Wenn ich nach Italien reisen will, dann komme ich auch nach Italien. Wenn ich mit Paul nicht First-Class fliegen kann, weil er Flugangst hat, dann fahre ich eben mit dem Zug. Oder mit dem Auto. Oder mit dem Bus. Oder mit dem Wohnmobil. Es gibt zig Varianten, wie ich meine Ziele erreiche. Ein behindertes Kind zu haben bedeutet nicht, dass ich dafür meine Träume aufgeben muss. Was jetzt nicht geht, geht dann eben vielleicht später. Oder ich muss mehr planen und organisieren, um mir Wünsche zu erfüllen. Weg von den üblichen Denkmustern, mal etwas ganz anderes wagen. Wer oder was hindert mich denn daran, mir Wege zu suchen? Natürlich gibt es viele Dinge im Leben mit einem behinderten Kind die belastend sind. Dinge, die Eltern nicht-behinderter Kinder nicht kennen. Aber davon muss ich nicht mein Leben bestimmen lassen. Ich habe eine Wahl.
Mein Fazit: Es gibt nicht und es gab nie das Recht auf ein nicht-behindertes Kind. Das ist und war eine Illusion. Es gibt auch keine Garantie dafür, dass ich nicht nächste Woche einen Schlaganfall bekomme und danach zum Pflegefall werde. Ich kann aber entscheiden, wie ich damit umgehe, das wird mir nicht von außen aufdiktiert.
Und ich bin verdammt froh, dass Paul niemals einen Artikel lesen muss, in dem steht, dass ich ihn lieber abgetrieben hätte, weil er nicht meinen Wunschvorstellungen entsprach und deshalb sogar meine Ärzte verklagt habe.
„Nicht behindert zu sein ist wahrlich kein Verdienst, sondern ein Geschenk, das jedem von uns jederzeit genommen werden kann.“ Richard v. Weizsäcker
http://www.schwbv.de/zitate.html
es ist das BESTE der Zitate von dieser Seite!
Und so sehe ich auch die Geburt eines Kindes.
Vielleicht hätte ich nicht vier Kinder, wenn der Autismus des Ältesten früh erkannt worden wäre.
Vielleicht
Ich weiß es nicht.
Nun habe ich vier Autisten – „Italien“ war nie mein Ziel – mein Ziel war ein bisschen Zufriedenheit.
Und die kann ich überall finden, egal wo mein „Wohnort“ ist.
Ich muss nur einfach weiter machen. Wir haben zB die Diagnose sehr spät erhalten (der Älteste war 13,5J und der Kleinste 3,5J), ich habe mir aber NIE die Frage gestellt, ob ich nun ein „gestrafter“ Mensch bin.
Denn meine Kinder waren und sind (vor und nach der Diagnose) nur eins – meine Kinder, auf die ich stolz bin!
Wenn man das Wagnis (und nichts anderes ist es) eingeht, ein Kind zu gebären, dann muss man mit allem rechnen.
Und diese Fragestellung
Zitat; “ Es gibt auch keine Garantie dafür, dass ich nicht nächste Woche einen Schlaganfall bekomme und danach zum Pflegefall werde.“
hatte ich erst vor vier Wochen. Vom Schlaganfall über Tumor war alles möglich, was meine Gesichtslähmung ausgelöst haben könnte. Ja, da ging mir der „Ar… auf Grundeis“, aber ich hatte und habe einfach keine Chance solch einer Situation zu entgehen! Ich muss lernen, mit sowas umzugehen und wieder den Weg weitergehen, wo ich ein bisschen Zufriedenheit finde. Ich hatte Glück, es war was harmloses. Aber eine Garantie, dass das immer so ausgeht, die habe ich einfach nicht!
Ich denke an das arme Kind… wenn das mal raus bekommt, dass es hätte abgetrieben werden sollen…
Was sind das bloß für herzlose Menschen, die sich das Recht rausnehmen, Leben zu nehmen nur weil es nicht der Norm entspricht?!
Meine Frauenärztin wollte bei meiner zweiten Schwangerschaft auch einen Genetiker zu Rate ziehen wegen Autismus (was soweit ich weiß gar nicht in der SS festgestellt werden kann) Aber ich habe dankend abgelehnt und gesagt, dass ich so oder so das Kind bekomme, egal ob Autismus, Trisomie oder irgendeine andere Behinderung.
Nur weil es offiziell keine „aktiven“ Nazis mehr in Machtpositionen gibt, heißt es noch lange nicht, dass diese Denke nicht mehr da ist.
Der Gedanke Menschen mit behinderungen ausrotten zu müssen ist leider auch heute noch in erschreckendem Maße salonfähig (Ich glaube auch nicht, dass die Merheit der sog. „Normalen“ zu etwas anderem imstande ist).
Derartige Gedankengänge wie: „Wer nicht einer gleichgeschalteten Normvorstellung entspricht wird ausradiert.“
Zeigen, dass die so viel beschworene Lernfähigkeit der Menschheit nichts weiter ist als heiße Luft, wenn sie den gleichen Dreck abziehen wie vor über 70 Jahren (nur mit anderen Methoden).
http://autisten.enthinderung.de/welterbe
Traurig, aber wohl wahr! Erschreckend!
Ich hatte auch nie den Anspruch ein nicht.behindertes Kind zu haben, „nur“ ein gesunden und glückliches. Mein Kind hat nun doch kleine gesundheitliche Einschränkungen durch die er regelmäßig zu einer ärztlichen Kontrolle muss, aber er er ist glücklich und zufrieden und alles was er vieleicht nicht ohne Schwierigkeiten tun kann wird dann eben anders geplant, da er zwar Autist ist, aber das bedeutet nicht, dass er es nicht kann, nur eben vielleicht nicht so wie es die meisten umsetzten würden – so umzudenken müssen Eltern aber manchmal erst noch lernen. Ich verstehe den Text, indem das Leben mit einem nicht-behinderten, gesunden Kind Italien als Italien dargestelt wird und das Leben mit einem behinderten und/oder kranken Kind mit Holland gleich gesetzt wird aber eher so, dass man nunmal manches anders planen, umorganisieren muss oder vieleicht auch erst zu einem späteren Zeitpunkt umsetzten kann. Ich verstehe den Text so, dass er aufziegen soll, dass es letztlich nur auf die Sichtweise ankommt, ob ich bereit mich damit zu befassen was den nun mein neues Ziel (Holland) für mich bedeutet und wie ich mich damit arrangieren kann ohne mich dabei aufzugeben….. dennoch finde ich es mehr als rtaurig, dass dieses Elternpaar sich gegen das Kind entscheiden hätte, weil das Kind eine Behinderung hat. Trotz allem finde ich aber deinen Gedankenanstoß sehr gut und wichtig.
So verstehe ich den Text auch. Ich finde ihn sehr gelungen, weil er für mich das ausdrückt, was ich zu tun hatte. Ich war auf Italien fixiert und hatte mich damit beschäftigt. Nun binich in Holland und musste erst Holland kennen-, schätzen- und auch liebenlernen 😉
Hat dies auf Sunnys Space rebloggt und kommentierte:
ch verstehe den Text so, dass er aufziegen soll, dass es letztlich nur auf die Sichtweise ankommt, ob ich bereit mich damit zu befassen was den nun mein neues Ziel (Holland) für mich bedeutet und wie ich mich damit arrangieren kann ohne mich dabei aufzugeben….. dennoch finde ich den Gedankenanstoß wichtig!
Die Frage, Italien oder Holland, stellte sich meinen Eltern zur damaligen Zeit jetzt zwar nicht, wohl aber die Frage: „jetzt in meinem Alter noch ein Kind? Auf keinen Fall!“
„Ich denke an das arme Kind… wenn das mal raus bekommt, dass es hätte abgetrieben werden sollen…“
Tja…ist schon ein komisches Gefühl (um es mal milde auszudrücken) wenn man als Kind zu hören bekommt dass man (aus welchen Gründen auch immer) nicht gewünscht war und eigentlich hätte abgetrieben werden sollen.
Ich persönlich bin der Meinung dass so eine Aussage grundsätzlich kein Kind auf dieser Welt zu hören bekommen sollte…egal ob es sich dabei um ein behindertes oder um ein nicht behindertes Kind handelt…für beide Kinder ist es auf jeden Fall eine sehr traurige Angelegenheit. (Und für manche mit Sicherheit auch schmerzlich.)
Ich persönlich bin auf jeden Fall bis heute nicht das Gefühl losgeworden, mir eigentlich unrechtmäßig „den Weg ins Leben gebahnt“ zu haben.
Der Arzt stellte während seiner genaueren Untersuchung dann fest, dass da anscheinend wohl Zwillinge unterwegs zu sein scheinen, und daher wollte er dann die Abtreibung nicht mehr vornehmen.
Für die Familie war das zwar ein Schock.
Für Uns jedoch der Beginn einer nicht einfachen Zeit.
Aber dies hat dann letztendlich niemanden interessiert…anscheinend interessiert es keinen Menschen (oder leider nur sehr wenige) wie sich so etwas anfühlt…lesen und hören zu müssen dass man eigentlich abgetrieben werden sollte.
Ich habe den Eindruck du bist so von deinen (berechtigten) Gefühlen übermannt, dass du u.U. nicht erkennst, dass auch diese Eltern ihr Bedürfnisse und Nöte haben und nun ein behindertes Kind haben, dem sie nicht gerecht werden können (und ich meine nicht die oben angesprochene Verblendung und Ignoranz, die man ihnen sicher schnell andichten (?) kann). Da keiner von uns die Familie kennt können wir dies nicht sagen!
Ich als Aspie wäge alles im Vorneherein ab und wenn etwas anders kommt als erwartet werde ich zum hirnlosen Amöbium (schöner Vergleich 😉 ). Wissen wir, ob es da nicht ähnlich war?
Andererseits: Wer sich bewusst (und das ist hier wichtig!) für ein Kind entscheidet sollte sich über den Lostopf des Lebens schon bewusst sein (metaphorisch für: darauf gefasst sein, dass was passieren kann). Ich plane aus dem Grunde noch nicht mal eine Topfpflanze.
liebe grüße an alle und:
Nicht ärgern lassen! Niemals!
Ich spreche den Eltern ihre Nöte und Sorgen bestimmt nicht ab. Natürlich ist ein behindertes Kind eine große Herausforderung. Mein Punkt ist: Wenn ich mich bewusst dazu entscheide, schwanger zu werden, dann sollte mir klar sein, dass ich mich für ein Kind entscheide. Dieses Kind kann aus vielerlei Gründen eine größere Herausforderung sein als das „Otto-Normal-Wunschkind“. Eine angeborene Behinderung ist ja nur eine mögliche Option von mehreren. Meine Mutter musste für mich Kämpfe mit Gesundheitsamt, Kindergarten und Schule ausfechten, weil ich Linkshänderin bin und sie nicht wollte, dass ich deswegen (!) später eingeschult werde. Heutzutage undenkbar. Kinder zu haben ist immer eine Herausforderung. Und es geschehen Dinge, die man so nicht hätte erwarten können. Es könnte auch mit 2 Jahren eine Meningitis bekommen und deshalb pflegebedürftig werden. Oder mit 4 Jahren von einem Auto angefahren werden. Oder mit 14 den Weg in die Drogensucht gehen. Oder oder oder. Dann stellt man sich doch auch nicht hin und sagt „Hätte ich dich mal lieber abgetrieben“
Dies erinnert mich an verschiedene Begebenheiten an meine Zeit als Student an der Uni. Das war Anfang der 1990er-Jahre, ich war politisch engagiert und zeitweise im AStA, dem ausführenden Organ der studentischen Selbstvertretung. Da ging es auch viel um Minderheiten, um Barrierefreiheit, um Lesben und Schwule, und eben auch um Feminismus und um das Recht auf Abtreibung.
Da habe ich bei einem Gespräch gegenüber einem Kommilitonen mal geäußert, daß ich durchaus auch die Position von Abtreibungsgegnern verstehen kann. Denn man kann ja unterschiedlicher Einschätzung sein darüber, ab wann jemand ein Mensch ist, ab welchem Zeitpunkt für ein neu gezeugtes Wesen die universellen Menschenrechte gelten. Und ich kann mir nicht anmaßen, zu wissen, was in dieser Sache richtig und was falsch ist.
Das führte dazu, daß schon am nächsten Tag darüber diskutiert wurde, ob ich überhaupt noch tragbar sei. Denn mit meiner Äußerung hatte ich den Konsens des Feminismus verlassen. Ich hatte das Recht auf Abtreibung in Frage gestellt.
Ich erinnere mich auch an eine Diskussion zum Thema Abtreibung, wo gesagt wurde, daß ja keine Frau einfach nur so abtreiben würde, und deshalb würde es auch bei völliger Freigabe der Abtreibungen (also Verzicht auf jedwede Fristen) nicht mehr Abtreibungen geben als aktuell. Da meldete sich ein Student und sagte, daß er zwar prinzipiell auch für das Recht auf Abtreibung sei, aber diese Logik trotzdem nicht stimmen würde. Denn seine Eltern wollten ihn eigentlich abtreiben, hatten dafür aber den Zeitpunkt versäumt, weshalb er zur Welt gebracht werden musste und jetzt lebt.
Da habe ich erst mal ein paar Tage gebraucht, um das zu verarbeiten. Jemand, der offen und sachlich erzählt, daß er eigentlich abgetrieben werden sollte! In welchem Alter können Eltern ihrem Kind das erzählen? Was löst das aus? Andererseits gibt es auch Kinder, die nur deshalb zur Welt kommen, weil ein Kondom gerissen ist, weil die Pille falsch genommen wurde, oder sonstwas. Auch die waren eigentlich nicht gewollt, leben also jetzt gegen den ursprünglichen Willen ihrer Eltern. Ist das für diese Menschen nicht auch eine seltsame Situation, wenn sie davon erfahren?
Leider habe ich keine Ahnung, wer der betreffende war, deswegen hat niemand diese Fragen beantwortet. Und ich weiß nicht, was ich davon halten soll, was richtig und was falsch ist. Zu welchem Zeitpunkt bekommt ein Haufen Zellen die Menschenrechte?
Im Grunde genommen bin ich ja auch jetzt noch (mehrere Jahrzehnte nach meiner Geburt) bloß ein Haufen von Zellen. Zellen, die eine Kopie der ursprünglich befruchteten Eizelle sind. Zellen, in denen der Code der DNA abgearbeitet wird, so wie Befehle in einem Microprozessor abgearbeitet werden. Aber ich freue mich meines Lebens, und ich will auf meine Menschenrechte nicht verzichten.
Ich war auch fassungslos. Mein erster Gedanke dazu war: Okay, irgendwann verklagen wir unsere Eltern, weil sie uns nicht eine bestimmte Haarfarbe, oder auch Aussehen vererbt haben.
Ich selbst habe auch einen Prozeß seinerzeit angestrebt. Aber für mich ging es darum, dass der Arzt bei etwas mehr Umsicht und Sorgfalt und damit auch die Krankenkassen, bei bestimmten Infektionen das Ausmass der Schädigungen beim Kind einschränken, oder sogar bestenfalls verhindern können. Wir haben damals die Fachwelt beschäftigt und eines erreicht: Toxoplasmose wird ernst genommen und man wird zumindest auf den Test hingewiesen.
Mein Kind hat es nicht gesund gemacht. Aber vielen nach uns kann heute rechtzeitig geholfen werden.
Du kennst mich vermutlich gut genug, um zu wissen, dass ich dir weitgehend zustimme bei diesem Thema.
Die Parabel über Holland und Italien habe ich jedoch etwas anders verstanden. Das nicht-behinderte Wunschkind ist Italien, das behinderte Kind ist Holland. Und dass Holland auch toll ist, nur anders als Italien, das merkt man nur, wenn man sich, während man nun mal in Holland ist, nicht dauernd nur nach Italien sehnt.
Man erkennt nicht, wie toll es in Holland am Meer ist, wenn man Italien am Meer herbeisehnt. Man erkennt nicht die Schönheit der Werke van Goghs, wenn man nur die Werke da Vincis sehen will.
Der Text will für mich darauf hinaus, das behinderte Kind genauso anzunehmen wie das, das man erwartet oder gewünscht hatte, um zu erkennen, dass das eben ganz genauso toll ist, nur ein bisschen anders.
Es geht darum, sich auf die unerwartetere Situation einzulassen, statt etwas nachzutrauern, das eben nicht da ist, damit einem nicht entgeht, dass das, das man hat, toll ist!
Ja. Wenn man an die Kindsplanung mit generell etwas weniger Erwartungen herangeht, was das denn nun werden soll, was man da baut, fällt einem das leichter. Man plant vielleicht offener, plant mehr Eventualitäten gleich ein. Und das wäre auch meine Herangehensweise.
Dafür trete ich auch ein und sage das gern Menschen, die sich Kinder wünschen.
Und doch ist mir klar, dass eine Diagnose einer Behinderung direkt nach der Geburt – oder auch später – zu einer Phase der Trauerarbeit führen kann bei den Eltern. Und ich denke, diesen Eltern kann die Parabel hilfreich sein, vor lauter Trauern das längst angekommene Glück nicht zu übersehen. Denn Holland und Italien sind beide toll. Man muss aber hingucken wollen.
Ich hoffe, ich hab rübergebracht, wie ich das verstanden habe.
Deswegen jedenfalls hatte ich den Texte auf Twitter kürzlich retweetet.
Ich verstehe deinen Punkt trotzdem und denke, wir stehen da im Grunde genau auf dem gleichen.
Hoffen wir einfach für das Kind, dass seine Eltern es noch annehmen können, es lieben werden und gut aufziehen werden, dass sie noch erkennen werden, dass auch sein Leben lebenswert ist und schön sein wird – wenn sie sich darauf einlassen.
Oh, du musst dich nicht entschuldigen, eine andere Meinung als ich zu haben oder einen Text anders zu interpretieren.
Ich sehe deinen Ansatz auch und verstehe, warum dieser Text vielen Menschen hilft.
Nur bin ich persönlich eben nicht in Holland gelandet. Das Leben mit einem behinderten Kind ist nicht komplett anders als das Leben mit einem nichtbehinderten Kind. Und deshalb stört mich dieses „Ich werde nie nach Italien kommen, aber so schlecht ist Holland nun auch nicht“. Das klingt nach zweiter Wahl, wertend. „Dann muss ich mich halt damit abfinden.“ Keine aktive Entscheidung für das Leben in Holland sondern passiv, resignierend.
Ok, verstehe.
Ja, das kann man darin auch sehen.
Jedenfalls, wie es auch immer sei:
Ich wünsche mir, dass Eltern offener an die Nachwuchsplanung heran gehen und so auch Kinder, die ganz anders werden, als gedacht oder als sie selbst sind oder sich wünschten, mit Freuden annehmen können.
Ob nun bei den Interessen oder Talenten begonnen, bei der Weltanschauung, die anders sein können als erwartet, oder ob das Kind behindert ist.
Jedes Kind hat die Liebe seiner Eltern verdient.
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