Friseure als Alltagshelden

Es gibt sie. Meine eigenen privaten Alltagshelden. Die Inklusion einfach leben. Heute möchte ich an dieser Stelle mal den Friseursalon loben, der meinen Kindern immer die Haare schneidet.

Paul hasste Haare schneiden. Als er noch sehr klein war, habe ich ihm die Haare immer selbst geschnitten. Irgendwann ging das aus verschiedenen Gründen nicht mehr. Hauptgrund: Kein Kind hat verdient, mit meinen bescheidenen Schneidekünsten „beglückt“ zu werden und sich so in der Öffentlichkeit zeigen zu müssen. 😉 Außerdem hielt Paul auch überhaupt nicht mehr still bei mir. Ihn mit Gewalt festzuhalten kam nie in Frage. Also musste eine andere Lösung her. Wir telefonierten verschiedene Friseursalons ab und fragten, ob und wie sie mit Kindern umgehen, die Probleme beim Haare schneiden haben. Die meisten Salons fielen da bereits raus. Einer nicht. Es hieß am Telefon schon „Kommen Sie einfach mit dem Kind vorbei, wir finden einen Weg.“ Das ließen wir uns nicht zweimal sagen und machten dort einen ersten Termin. Erstmal für den Papa. Paul ging mit und durfte zuschauen, was dort passiert. Zum Abschluss durfte er sich selbst auch auf einen Stuhl setzen und wurde hoch- und runtergefahren. Mehr nicht. Den nächsten Termin vereinbarten wir ein paar Wochen später. Diesmal für den Papa und Paul. Wir erklärten im Vorfeld, welche Probleme Paul hat und worauf zu achten ist. Bei diesem zweiten Termin sollten noch keine Haare geschnitten werden, nur einfach mal probieren, wie weit wir kommen. Paul setzte sich auf den Stuhl und ließ sich den Umhang anlegen. Aus dieser Position sah er zu, wie seinem Papa die Haare geschnitten wurden. Er selbst durfte die verschiedenen Werkzeuge anschauen und auch mal die Maschine einschalten. Das war dann aber auch genug für ihn. Als Papa zahlen wollte, wollte die Friseurin nicht mal Geld für Pauls Termin haben. Total nett von ihr, immerhin hat sie ja Zeit investiert. Beim dritten Termin setzte Paul sich ganz selbstverständlich auf den Stuhl und ließ sich den Umhang anziehen. Er äußerte vorher, dass er seine Haare nicht nass gespritzt bekommen wollte. Und auch Angst vor der Maschine hat. Das war kein Problem. Die Friseurin erklärte ihm ganz genau, was sie macht. Wir hatten auch vereinbart, dass wir jederzeit abbrechen können, auch wenn der Haarschnitt nicht fertig ist. Paul machte das aber wirklich super. Zum Schluss wollte er sogar, dass sie ihm noch mit Haarmascara eine bunte Strähne macht. Wir staunten. Und Paul war total stolz auf seine neue Frisur.

Inzwischen sind einige Jahre vergangen. Paul geht alle paar Monate wie selbstverständlich zum Friseur. Mittlerweile darf auch schon mit der Maschine bei ihm nachrasiert werden. Auch das Anfeuchten der Haare macht ihm nichts mehr aus. Es ist ihm sogar egal geworden, welcher der Friseure dort ihm die Haare schneidet. Alle dort kennen ihn und gehen wie selbstverständlich auf seine Bedürfnisse ein.

Heute war der kleine Bruder auch mit. Paul nahm ihn unter seine Fittiche und erklärte ihm, dass er gar keine Angst haben müsse. „Ich zeig dir einfach, wie das geht und du kannst bei mir zugucken!“ Hach, so schön.

Ich bin jedenfalls unendlich dankbar dafür, dass sich in diesem Salon so viel Mühe gegeben wurde und wird. Das ist nicht selbstverständlich. Macht aber unser Leben sehr viel einfacher. Solche positiven Beispiele kann man nicht oft genug lobend erwähnen. Und natürlich ist die ganze Familie jetzt dort Stammkunde.

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3 Kommentare zu “Friseure als Alltagshelden

  1. So ziemlich genau das beschriebene Procedere haben wir seinerzeit beim Zahnarzt (mit Erfolg) absolviert. Allerdings wäre ich nie auf die Idee gekommen, einen Frisör mit unseren Problemen zu behelligen. Offenbar einen verpasste Chance; mittlerweile reichen die Haare bis zum Po.

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