Ich habe vor längerem versprochen, einen Blogbeitrag über Pauls Schlafverhalten und unseren Weg zu schreiben. Besser spät als nie und so löse ich jetzt mein gegebenes Versprechen ein.
Paul verbrachte seine ersten 3 Lebensmonate im Krankenhaus. Die Nächte wurden uns immer als „normal“ beschrieben. Zumindest in den ersten Wochen. Irgendwann kam ich mal sehr viel früher als gewöhnlich auf die Station und fand Paul in seinem Bettchen mit einem (für ihn) ziemlich großen Schnuller im Mund, der mit einem Handtuch an den Seiten des Wärmebettchens fixiert war. Meine schockierte Nachfrage ergab, dass Paul wohl nachts zunehmend schrie und sich nicht beruhigen ließ. Auch herumtragen half nicht. Heute wissen wir ja, warum. Deshalb wurde ihm der Schnuller gegeben. Und weil er ihn immer wieder ausspuckte, wurde er eben durch das Tuch im Mund fixiert. Ich finde das bis heute eine sehr fragwürdige Praxis.
Als Paul aus der Klinik nach Hause kam, schlief er eigentlich ziemlich gut. Anfangs im Reisebettchen, sein eigenes Babybett mochte er nicht. Und mir war es auch lieber, ihn neben mir zu wissen. Ich lag oft nachts wach und lauschte, ob er auch wirklich atmet. Das einschlafen wurde zunehmend schwieriger, je älter er wurde. Oft fing er bereits am früher Nachmittag oder Abend an zu schreien und ließ sich durch nichts beruhigen. Tragen half nicht, Fliegergriff half nicht. Händchenhalten half nicht. Eine echte Nervenprobe. Oft kam der Papa damals von der Spätschicht nach Hause, nahm mir das schreiende Bündel Mensch ab und legte es ins Bettchen. Und da schlief er dann binnen weniger Minuten ein als wäre nichts gewesen. Ihn einfach früher ins Bett zu legen, schlug aber genauso fehl wie alle anderen Beruhigungsversuche. Als ob er auf den Papa warten würde und sich bis dahin einfach die ganze Aufregung des Tages von der Seele schrie.
Noch ein paar Wochen später kündigten sich die ersten Zähne an und dann war es auch mit dem Beinahe-Durchschlafen vorbei. Rückblickend die schlimmsten Wochen. Jetzt schrie er nicht nur am Abend stundenlang sondern auch noch die halbe Nacht durch. Nickte dann ein paar Minuten ein und schrie weiter. Inzwischen war er in sein Kinderbettchen im eigenen Zimmer umgezogen. Ich legte eine Matratze vor sein Bett und verbrachte viele Nächte neben ihm. Um beim kleinsten Mucks reagieren zu können. Auch da wollte er nicht herumgetragen werden. Ihm reichte es, dass jemand da war und er hielt oft einfach nur einen Finger von mir fest. Das reichte ihm an Körperkontakt.
Ein paar Jahre später. Paul sollte statt seinem Kinderbett ein normales Bett bekommen. Er suchte sich ein Hochbett aus. Wir bauten es auf, er war begeistert. Bis zum Abend. Da weigerte er sich, darin zu schlafen. Alle Versuche, ihn in den Schlaf zu begleiten, schlugen fehl. Er wollte einfach in diesem Bett nicht schlafen. Und ich war so verunsichert, dass ich sogar einen geschenkten Schlafratgeber las und bereit war, die „Lassen Sie Ihr Kind schreien“-Methode auszuprobieren. Ich hielt ganze 3 Minuten durch, dann ertrug ich seine Schreie und sein Weinen nicht mehr. Das war es mir definitiv nicht wert. Im Elternbett schlafen wollte er aber auch nicht. Also zogen wir das Schlafsofa im Wohnzimmer aus und dort schlief er tatsächlich ein. Die erste Nacht ohne Gitterbettchen. Er selbst schrie nämlich jämmerlich, wenn wir vorher versuchten, die Gitter am Kinderbett abzubauen. Er versuchte auch nie, darüber zu klettern. Also blieben die Gitter dran, bis er eben das neue Bett bekam. Ab da fing dann das nächtliche Herumwandern an. Er schlief 3-4 Stunden auf dem Schlafsofa, wurde wach und erkundete die Wohnung. Er versuchte auch, die Wohnung zu verlassen. Wir schlossen also die Tür ab und ich schlief zukünftig mit ihm auf dem (zum Glück großen) Schlafsofa im Wohnzimmer, um sofort mitzubekommen, wenn er auf Wanderschaft geht. Das war nämlich durchaus nicht ungefährlich. Er räumte Schränke aus, versuchte, nicht-essbare Sachen zu essen, spielte in der Toilette, zog seine Windel aus und verteilte den Inhalt und manches mehr. Er brauchte ständige Beaufsichtigung. Ich war nur noch übermüdet. Jeden Abend aufs Neue versuchten wir, ihn in sein Bett zu bringen. Jeden Abend scheiterten wir. Wochenlang. Monatelang. In der Zeit begann die Autismusdiagnostik. Ich fing an mich zu belesen. Verstand ein paar Dinge. Und akzeptierte endlich, dass Paul eben auf dem Sofa schläft. Ich kämpfte nicht mehr dagegen an. Das machte es für uns alle leichter. Die nächtlichen Wanderungen ließen nach als Paul ca. 6 Jahre alt war. Seitdem schläft er meistens die Nacht durch.
Vor knapp 2 Jahren, Paul war inzwischen 8 Jahre alt, ging das Schlafsofa kaputt. Irreparabel. Wir starteten einen neuen Versuch mit seinem Bett. Und siehe da. Nach langer Vorlaufzeit mit ausführlichen Erklärungen beschloss Paul, dass er nun dort schlafen möchte. Und tat es. Er stand auch nicht alleine aus seinem Bett auf. Wenn er wach wurde, rief er immer nach uns Eltern. Das war zwar einerseits nervig, wenn es beispielsweise erst 5 Uhr morgens war und er eigentlich nur kurz zur Toilette musste, gab mir andererseits aber auch Sicherheit, dass er nachts keinen gefährlichen Unsinn anstellen würde. Endlich konnte ich auch mal wieder länger schlafen.
Beim letzten Umzug teilte uns Paul mit, dass er jetzt lieber kein Hochbett mehr haben möchte. Er wollte ein normales Bett. Wir kauften eines mit ihm zusammen und bauten es auch zusammen in seinem neuen Zimmer auf. Er liebt es und geht jetzt gerne schlafen. Und manchmal dürfen sein Papa oder ich uns am Abend dort neben ihn legen (ohne Körperkontakt!) und es ergeben sich tiefgreifende Gespräche über Dinge, die Paul so beschäftigen. Das schönste Abendritual überhaupt für mich. Wenn er nachts auf die Toilette muss, geht er alleine. Und danach auch direkt wieder ins Bett. Am Morgen steht er auch selbständig auf und kommt dann zu uns ins Schlafzimmer.
Rückblickend schüttele ich den Kopf, wenn ich an die ersten Jahre denke. Ich verstehe heute nicht mehr, warum ich daraus so einen Kampf gemacht habe. Das würde ich heute nicht mehr tun.
Kommt mir bekannt vor…allerdings schläft mein Sohn bis heute nicht durch und schlecht ein
Sehr interessanter Bericht! Wir hatten mit einem Kind leider nicht so viel Glück.
Unsere Kinder scheinen allgemein nicht sehr viel zu schlafen, aber #3 war extrem, während sie in den ersten Wochen noch 12 Stunden je Tag schlief, verkürzte sich die Schlafzeit schleichend bis sie dann schließlich mit ca 2 Jahren nur noch maximal 4 Stunden pro Tag, davon vielleicht 2-3 nachts und ein oder zwei kurze Nickerchen Mittags und am frühen Abend. Wir waren am verzweifel, insbesondere als meine Frau dann doch erneut schwanger wurde und es wirklich schwierig wurde sich nicht nachts mit dem Schlafen abzuwechseln da leider nichts vor unserer Tochter sicher war und man sie wirklich nicht alleine wach lassen konnte. Nach einigen (schlaflosen) Jahren haben wir von einer Studie erfahren Schlafstörungen bei Autisten mit Melatonin zu behandeln. Was uns über die nächsten Jahre half und dann schlussendlich problemlos wieder abgesetzt werden konnte. Leider haben wir erfahren das inzwischen die am besten geeignetsten Präparate (nicht retardiert) wohl in Deutschland bzw der EU nicht mehr verfügbar sind.
Hi, danke für deine privaten Einblicke, sehr interessant! Also war die Lösung des Problems letzten Endes das „Lockerlassen“? Viele Grüße 🙂
Die Zeit war am Ende die Lösung. Das Lockerlassen hat es nur leichter für uns gemacht und Nerven geschont.