Im Alter von 2-3 Jahren wurde uns Eltern immer deutlicher, dass Pauls Verhalten weit von dem Verhalten anderer Kinder abwich. Er sprach nicht, zumindest nicht mit uns. Er benutzte eine Art Phantasiesprache, die aber nicht der Kommunikation diente sondern eher zur Selbststimulation. Und monatelang heulte er den ganzen Tag wie eine Feuerwehrsirene während er bis zu 10 Stunden am Tag einen Ball mit den Händen drehte und mit aller Kraft darauf trommelte. Ich habe keine Ahnung mehr wie ich diese Geräuschkulisse den ganzen Tag aushalten konnte.
Inzwischen konnten wir allerdings mit Paul ins Freie gehen, ohne dass er sofort ausrastete. Wir gingen durch den Wald, durch den Kurpark und natürlich auch zum Spielplatz. Den mochte er allerdings gar nicht. Ich setzte mich mit ihm in den Sandkasten und er blieb einfach stocksteif sitzen oder fing gleich an zu brüllen. Rutschen mochte er, wir mussten ihn aber hochheben, klettern versuchte er noch nicht mal, aber er schaukelte gern. Wir schoben ihn an und durften dann ewig lange nicht mehr damit aufhören. Andere Kinder waren ihm unheimlich, wenn sich ihm eines näherte lief er weg. Wurden sie aufdringlich schlug er auch mal, das kam zum Glück aber sehr selten vor. Bei unseren Ausflügen mieden wir allerdings belebte Strassen soweit es irgendwie möglich war. Paul neigte zum Weglaufen. Das war im Wald oder im Park kein Problem, an Straßen allerdings schon, umso mehr da er nicht auf den Verkehr achtete und die Gefahr bestand, dass er vor ein Auto lief.
Als Paul 2 Jahre alt war stand ein Umzug in eine neue Wohnung ins Haus. Wir wohnten vorher in einer 3-Zimmer-Wohnung im Altbau. Eine schöne Wohnung, aber im Laufe der Zeit zeichneten sich Probleme mit den Nachbarn ab. Unter uns eine alleinstehende Frau, die gerade in Rente gegangen war und über und neben uns sehr junge Leute aus der Gastronomie. Paul wurde zum Problem für die Dame unter uns, sie hörte es, wenn er durch die Wohnung krabbelte, trommelte oder mal wieder stundenlang schrie. Schlief Paul nachts, konnte es passieren, dass er durch eine Party in der Wohnung über uns geweckt wurde und dann stundenlang schrie, was wiederum die Nachbarin unter uns aufweckte. Auf Dauer ein untragbarer Zustand für uns. Die neue Wohnung wählten wir mit Bedacht im Erdgeschoss und achteten auf gute Schallisolierung. Wirklich leise ist es bei uns bis heute nicht. Den Umzug und das damit verbundene neue Kinderzimmer nahm Paul sehr gut auf, auch weil er beim Aufbau seiner neuen Möbel „mithelfen“ konnte. Aus heutiger Sicht kann ich sagen, da haben wir wirklich Glück gehabt.
Wir haben lange überlegt, Paul in einem Kindergarten anzumelden. Nach den schlechten Erfahrungen mit der Tagesmutter hatten wir wirklich Angst davor. In unserem Wohnort gibt es nur 2 Kindergärten, einen mit dem Konzept der „offenen Gruppen“. Der schied also von vornherein aus, uns war klar, dass Paul damit völlig überfordert wäre. Also meldeten wir ihn in dem anderen Kindergarten an, er sollte dann mit 4 Jahren dorthin gehen. Ein Sprichwort lautet: „Leben ist das was passiert, während man noch plant.“ und so sollte es ganz anders kommen.
Bei den Untersuchungen beim Kinderarzt sprachen wir Eltern immer die Sachen an, die uns bei Paul so auffielen: Die Probleme beim Essen, die Sache mit der Sprache, das Verhalten und dass wir den Eindruck hatten, dass er sich nicht wirklich weiterentwickelt. Doch wir hörten immer die gleichen Sätze: „Das verwächst sich“ „Das ist typisch für ein ehemaliges Frühchen“ „Das ist ein Junge, da dauert es halt länger“. Erst zur U8 kam dann endlich Bewegung in die ganze Angelegenheit. Über den Weg zur Diagnose schreibe ich beim nächsten Mal.